Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Die Spinne und das Eichhörnchen

Draußen ist es kalt und dämmrig. Die kleine Spinne schaukelt aber aus einem Grund traurig in ihrem Netz umher. Denn es heißt Abschied nehmen. Abschied von ihrem Freund, dem Brummer, weil er nicht bei ihr überwintern kann. Etwas schuldbewusst erzählt ihr Ottfried von seinen Plänen, wie er sich in einen Wohnwagen schmuggeln und mit Leuten Richtung Süden fahren will.

Er lädt Zoba ein, mitzukommen, die Menschen würden sie sicher nicht entdecken, wenn sie beide gut aufpassen. Doch die Spinne will von einer Reise nichts wissen. „Dann lass mich doch wenigstens einen besseren Platz für dich suchen“, sagt der Brummer mit besorgtem Unterton. „Etwas tiefer im Wald ist der Wind nicht mehr ganz so kalt. Und im Frühling bin ich ja auch schon wieder da und flieg dich zur Wiese zurück.“

Auch wenn sie wegen der nahenden Trennung losheulen möchte, reibt Zoba ihre zittrigen dünnen Beinchen aneinander und klettert auf Ottfrieds Rücken. „Hier ist es“, verkündet der Brummer nach einem kurzen Flug. Etwas unsanft landet er auf einer alten durchfurchten Baumrinde, in deren Nähe sich ein recht großes Loch befindet. „Wenn es zu kalt wird, kannst du dort hineinkriechen.“ Die Spinne ist noch immer ein wenig böse auf ihren Freund und redet kaum ein Wort. „Dann mach’s gut!“ Der Brummer umarmt sie und fliegt tatsächlich davon.

Entsprechend traurig macht sich Zoba an die Arbeit. Da es mittlerweile auch schon ziemlich dunkel geworden ist, spannt sie nur notdürftig einige Fäden kreuz und quer am Rande des Lochs, am nächsten Morgen will sie dann vernünftig weben. Als sie sich zum Schlafen fertig macht, spürt sie, wie aus dem Hohlraum warme Luft emporsteigt. Die Spinne muss nicht mehr zittern, denkt voller Dankbarkeit an den Brummer und wischt sich die letzten Tränchen weg.

Viele Stunden vergehen. Doch dann wird Zoba von einem kräftigen Ruck aus dem Schlaf gerissen. Sie weiß nur, dass etwas Großes an ihr vorbeigehuscht ist, und deshalb schreckt sie auf. Die Spinne hängt am Überbleibsel eines Fadens und kann doch weit und breit keinen Übeltäter sehen. „Vielleicht war es ein Vogel“, denkt sie, beruhigt sich langsam und fängt an, ihr Netz zu flicken und auch auszubauen. Nach und nach wird der Eingang des Lochs so bedeckt. „Was machst du da?“, hört sie plötzlich eine Stimme hinter sich.

Zoba dreht sich um und schaut direkt auf ein großes spitzes Näschen. Das Tier mit dem rötlichen Fell, einem langen bauschigen Schwanz und zwei schwarzen Kugelaugen mustert die Spinne neugierig. „Ich wohne hier, du willst mir doch nicht etwa den Eingang verbauen? Außerdem hält dein Netz mich nicht fest, es wird immer kaputtgehen, wenn ich rein- und rausgehe.“ Die Spinne ist vor Angst wie versteinert, sie kennt zwar mittlerweile viele Vögel, Insekten, Schmetterlinge, aber so etwas Pelziges und Hippeliges hat sie bisher in ihrem kurzen Leben noch nicht gesehen.

„Ach ja, ich bin Kolja. Kolja, das Eichhörnchen. Und wer bist du?“ „Ich heiße Zoba“, sagt die Spinne kaum hörbar. „Es tut mir leid, ich wusste gar nicht, dass dieses Loch bewohnt ist. Mein Freund, der Brummer, meinte, ich könnte hier vielleicht überwintern, und im Frühjahr holt er mich dann wieder ab.“ „Weißt du was, du kannst schon hier wohnen bleiben, es soll mir recht sein. Es ist ja auch gut, wenn du ein paar Insekten fängst, bevor sie sich an meine Vorräte heranmachen“, antwortet Kolja. „Und auch angenehme Gesellschaft kann ich im Winter gut gebrauchen. Aber mach bitte dein Netz nicht direkt beim Eingang, zumindest nicht tagsüber, damit ich es nicht wieder aus Versehen zerstöre.“

Zoba murmelt noch mal eine Entschuldigung und bewegt sich zum Rande des Eingangs, damit Kolja seine zwei Haselnüsse, die er in den Pfoten hält, in die kleine Höhle tragen kann. Sie hat keine Angst mehr vor ihm und fühlt sich auch schon gar nicht mehr so einsam wie nach dem Abschied vom Brummer. Der Winter kann kommen.



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