Zwei Paare stehen im Mittelpunkt von Angela Schanelecs Film “Der traumhafte Weg” – wobei: eigentlich ist es kein wirklicher Film, eher gibt es eine Aneinanderreihung von vielen häufig ziemlich wortkargen oder gar wortlosen Szenen, die für sich teils wie nur notdürftig bewegte Bilder wirken. Und es gibt einen Zeitsprung sowie zwei Handlungsorte.
Der erste Part spielt in Griechenland und ist offenbar in den 1980er Jahren verortet. Es geht um Kenneth, einen englischen Musiker und Theres, eine Deutsche – sie sind als Straßenmusiker unterwegs – ihre Darbietung von “The Lion Sleeps Tonight” ist halbwegs okay. Dann kriegt er die Nachricht, dass seine Mutter bald sterben könnte. Alsbald reist er überstürzt ab, lässt die Frau zurück, die mutmaßlich bereit gewesen wäre, Halt zu geben. Der Zuschauer ahnt vielleicht, dass es das Ende der Beziehung sein könnte. Über das wirkliche Leben der jungen Menschen hat er indes nichts Ernsthaftes erfahren. Und das ist auch das Kernproblem dieses Kunstfilms. Er baut teils großartige Bilder auf, die in einem modernen Museum Platz finden könnten, wenn man beginnt, in sich ruhende Videoschnipsel als fragmentarische Gemälde aufzuhängen, die dem Betrachter viel Raum zur Deutung oder in anderen Fällen zur Ergriffenheit geben sollen. Aber wenn in einer längeren Einstellung Kenneth beispielsweise irgendwann vor einem Teller mit Fleisch, Pommes und Ketchup sitzt, bitterlich zu heulen behinnt und doch irgendwie weiterisst, ist es in der Rückschau, wenn die knapp 90 Minuten um sind, eine der wenigen Szenen die ernstlich im Gedächtnis bleiben. Vielleicht neben der, in der die Frau des zweiten Paares – als “Der traumhafte Weg” in die Jetztzeit und nach Berlin gewechselt ist – als Filmschauspielerin in der Rolle einer warum auch immer irgendwo umherlaufenden Polizistin unfreiwllig eine Klopapierfahne hinter sich her zieht und nicht mal merkt, als irgendeine Setrunnerin diese entfernt.
Und so bleibt Zuschauern, die auf irgendeine tierfergehende Form von Inhalt hoffen, nur der Versuch nicht einzuschlafen in diesem bedeutungsschwangeren Film, in dem Menschen mal zu Boden sinken, kunstvoll liegen und knien, offen oder auch ganz leise leiden, meist gekünstelt aneinander vorbeigucken – wenn nicht ohnedies nur ihre Hände oder Körpermitten zu sehen sind – und ansonsten, wenn überhaupt, ziemlich unnatürlich miteinander reden. Dabei geht es irgendwo am Rande gar um gewichtige Themen wie Obdachlosigkeit oder Sterbehilfe. Das macht die Auseinandersetzung mit diesem Film umso tragischer. Eine Verweigerung des standardisierten Erzählens auf der Leinwand zu erleben könnte spannend bzw. sehenswert sein. Sie ist es oftmals – nicht zuletzt bei Filmen aus Japan. Aber auch mitunter im deutschen Kino. Hier ist sie es nicht. Hier kann man nur den Kopf schütteln. Außer man ist ein Typ, wie die Rezensentin beim Tagesspiegel, und findet es für sich beglückend, dass einem hochtrabend Bilder vorgeworfen werden, zu denen man dann irgendwelchen Inhalt herbeifabulieren kann: “Man kann zusehen, wie Menschen durch das neue Berlin rund um den Hauptbahnhof ziehen, ihren Platz suchen. Auch ihre Gefühle sind im Transit. Innere Bewegungen werden sichtbar.” Solche Sätze sind es, die filmkunstinteressierte Zuschauer anlocken und dann ratlos zurücklassen. Wir sagen: Sorry Frau Schanelec (Regie) – T’schuldigung an die Darsteller wie Miriam Jakob, Thorbjörn Björnsson, Maren Eggert, Phil Hayes oder Anaïa Zapp: ihr habt euch offenbar viel Mühe gegeben. Aber wie der Zuschauer, der sich in Angela Schanelecs Werk verirrt: ihr seid leider im falschen Film. In einem, der zu Beginn frecherweise auch mit einer Ausienandersetzung der Ausbootung und des Ausverkaufs Griechenlands kokettiert: in der 1984er Szenerie darf eine Politaktivistin kurz unken, dass ihr Land von multinationalen Konzernen an den Rand gedrückt werden würde – etwas das auf Entsetzliche Art und Weise Realität und hierzulande in der politischen und medialen Kommentierung noch pervertiert wurde. Im Nachhinein ist es aber nur eine Episode, die der zeitlichen Einordung der Haupt”handlung” dient, wie eine, in der in einem Krankenzimmer der Fernsehapparat läuft, und somit im Hintergrund etwas über die “Wendezeit” ertönt, um zu signalisieren, wie lange Kenneths Mutter bis hierhin schon vor sich hinvegetiert.