Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Buchkritik – Blut und Ehre: Geschichte und Gegenwart rechter Gewalt in Deutschland

Am 2. September 1977 wurde ein Bombenanschlag vor der Staatsanwaltschaft in Flensburg verübt. Dahinter steckte die “Braunschweiger Gruppe” der “NSDAP-Aufbauorganisation”, ein aus den USA gelenktes militantes Neonazi-Netzwerk. Mit dieser Bombe und einem weiteren Anschlag am Hannoverschen Gericht solidarisieren sich die Täter mit dem Rechtsextremisten Manfred Roeder aus Hessen, gegen den die Staatsanwaltschaft in Flensburg drei Monate zuvor Anklage erhoben hatte. Dreieinhalb Jahre später, 1981, verurteilte das Oberlandsgericht Celle dafür unter anderem Paul Otte zu mehrjährigen Haftstrafen. Nach seinen Plänen sollte die “Braunschweiger Gruppe” neben einem Anschlag auf das Jüdische Gemeindezentrum in Hannover auch Anaschläge auf DDR-Grenzanlagen, Attentate auf Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und politisch motivierte Banküberfälle zur Beschaffung von Geld verüben. Dazu kam es jedoch nicht. Der mitverurteilte Hans-Dieter Lepzien entpupte sich im Verfahren als V-Mann des niedersächsischen Verfassungsschutzes. “Anstiftung zu Straftaten durch Behörden”, urteilte daraufhin der Bonner Strafrechtler Gerald Grünwald in einem “Monitor”-Interview. Es war einer von mehreren Prozessen gegen terroristische Rechtsextremisten, die vollkommen aus dem Bewusstsein des Staates, der Behörden und der Medien verschwunden zu sein scheint. Andrea Röpke und Andreas Speit, die bereits einige Publikationen über die verschiedenen Erscheinungsformen brauner Gesinnung hierzulande veröffentlichten, haben sie in ihrem neuesten Buch “Blut und Ehre” ausgegraben.

Zusammen mit Autoren wie Anton Maegerle, Julia Jüttner und Andreas Förster zeigen die Beiden, dass rechte Gewalt in der BRD nicht “erst” mit dem “Nationalsozialistischen Untergrund” (NSU) – dem Prozess dazu, den fast alltäglichen Ungeheuerlichkeiten des Vorsitzenden Richters und dem systematisch anmutenden Unter-den-Tisch-kehren von gewichtigen Zusammenhängen widmen wir uns seit Monaten und auch aktuell auf unserer Projektseite “www.das-ZOB.de” – entstanden ist, sondern bereits kurz nach dem Ende des zweiten Weltkrieges in Form von verschiedenen, dem Staat bekannten – teilweise mit zahlreichen V-Leuten durchsetzten – Gruppierungen existierte.

Acht Kapitel zeigen detailreich auf, welche Gruppen und “Persönlichkeiten” von 1945 bis 1990 den rechten Rand in Deutschland – in West und Ost – geprägt haben; welche Kräfte (Stichwort “Gladio”, aufgebaut und unterstützt von US-amerikanischen Geheimdiensten sollte eine Armee Rechtsradikaler in Mittewesteuropa gegen die Einflüsse der Sowjetunion und der kommunistischen Partei vorgehen); hinter welchen Anschlägen (unter anderem Oktoberfest 1980) standen. Erschreckend nachzulesen, wie die rechte Gewalt nach der Wiedervereinigung explodiert ist – vor allem auf Kosten der Asylbewerber: Rostock, Hoyerswerda, Solingen, Mölln… Nicht nur ein Bombenanschlag in Lübeck blieb bis heute unaufgeklärt, die staatlichen Behörden klammerten sich weiterhin fest an die Behauptung, eine strukturierte neonazistische Kameradschaftsszene gebe es nicht, man hätte es vielmehr mit “losen Cliquen” zu tun – also nicht weiter gefährlich. Derweil kursierten in rechtsradikalen Kreisen wohl seit vielen Jahren Schriften zum Thema bewaffneter Kampf – quasi mit Anleitungen für Gewalttaten. Ebenfalls teils bis heute unterschätzt obgleich seit  spätestens Mitte der 1990er Jahre sprichwörtlich brandgefährlich: rechtsradikale Musikgruppen und deren Hasslieder die der Szene förmlich als Aufputschmittel dienen.

Vor diesem Hintergrund beschreiben die Autoren auch wie der NSU entstanden ist; In welchen politischen Rahmen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe aufgewachsen sind und sich radikalisiert haben. Welche Netzwerke sie umgaben und welche Personen sie in ihrem sog. Untergrund, der insb. durch zahlreiche V-Leute in der Szene wohl nie wirklich einer war, unterstützt haben. “Das Versagen der Sicherheitsbehörden” heißt entsprechend ein Kapitel, das warnt, bei den Ermittlungen nicht von “Pannen” zu reden – wobei eben unseres Erachtens auch schon das Wort Versagen fehl am Platz, weil ebenfalls untertrieben ist.

Neben “offenkundiger Inkompetenz” und dem Konkurrenzverhalten der “Dienste”, beschreibt Förster die Entwicklung der Sicherheitsbehörden hierzulande und die Problematik der V-Männer. Erst durch diese vom Staat finanzierten Neonazis konnten viele der rechten Strukturen überhaupt erst professionell aufgebaut und gestärkt werden – Stichwort: Tino Brandt und das “Kameradschaftsnetzwerk ‘Thüringer Heimatschutz'”, das auch beim NSU eine gravierende Rolle spielte. Die Behörden erschwer(t)en auch – wie in der Vergangenheit so auch in der Gegenwart – die Strafverfolgung. Indem der Verfassungsschutz aus welchen nominell erklärten Gründen auch immer seine Hand über “Spitzel” hält, verhindert er häufig die Arbeit der Polizei.


Mal kurz weg von dem Terrortrio dem gerade in München der Prozess von einem viele gewichtige Fragen ausklammernden Gericht gemacht wird: Haben Sie eigentlich diesen Fall hier mitbekommen? Ist erst 2 1/2 Jahre her: Am 10. April 2011 umzingelten im baden-württembergischen Winterbach Dutzende Neonazis neun italienisch- und türkischstämmige junge Männer während ihrer Grillfeier auf einem Grundstück in einer Gartenkolonie. Als die Migranten in einem Holzhäuschen Sicherheit suchten, steckten die Nazis die Laube gar noch in Brand. In darauf folgenden zwei getrennten Prozessen standen letztlich 14 der Rechtsradikalen vor Gericht, darunter eine junge Frau. Dieser Prozess habe gelehrt, dass es “mitten unter uns Menschen gibt, die aus gruppenspezifischer Menschenfeindlichkeit bereit sind, schwerste Straftaten zu begehen” und “Menschen, die bereit sind, solche Verbrecher zu decken – ohne Gewissensbisse, ohne Gefühl für die Opfer”. Diese Geschichte, bei der nur aus purem Zufall niemand ums Leben kam, ging auch unserer Beobachtung nach bundesweit in den Medien ziemlich unter. Entsprechend auch die unseres Erachtens opferverhöhnenden Plädoyers der Verteidiger. Einer von Ihnen war der Stuttgarter Steffen Wilfried Hammer, ehemaliger Kanzleikollege von Nicole Schneiders, die ihrerseits nun im NSU-Verfahren ihren einstigen NPD-Weggefährten Ralf Wohlleben so darzustellen versucht, als ob dieser an den neun Morden an Migranten die in München unter anderem verhandelt werden, kaum eine Mitschuld trägt. Hammer arbeitete nicht nur mit dieser nicht nur auf uns auch heute noch mehr als dubios wirkenden Anwältin zusammen, sondern hat auch eine unseres Erachtens extrem braune Vergangenheit: bis 2010 war er Sänger von “Noie Werte”, die Gruppe wurde Mitte der 1990er Jahre zu einer der Bands von “Blood & Honour” in Deutschland. Mit zwei Liedern dieser Gruppe untermalte der NSU die Vorgängerversionen ihres am Ende Paulchen-Panther verwurstenden “Bekenner-Videos”.

Im Buchkapitel über die aktuellen Entwicklungen der rechtsextremen Gewaltszene zeigen Röpke und Speit im Übrigen sehr ausführlich, wie sich der Großraum Stuttgart neben Gegenden in Ostdeutschland, oder auch den Regionen Dortmund und Aachen zu einer der rechtsextremen Hochburgen hierzulande entwickelt hat. Am Ende von “Blut und Ehre” dann stellen die Autoren gegenüber, dass während die NPD allein in den Jahren 2002 – 2010 aus der Parteienfinanzierung weit mehr als zehn Millionen Euro bekam, die damalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) die präventive Auseinandersetzung mit Neonazis durch die Einführung der so genannten Extremismuserklärung erheblich erschwerte. Nicht nur die Empfänger öffentlicher Gelder müssen ein Bekenntnis zur “freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik” ablegen, sondern auch alle ihre Partner sind auf dieses Bekentniss hin zu überprüfen. Dadurch werde vor allem gegenüber Engagierten aus dem linksalternativen Spektrum Misstrauen und Generalverdacht gesät. Die Herausgeber zitieren eine Studie der Universität Leipzig aus dem Jahr 2012, nach der sich unter den Angehörigen der Behörden dieselben Einstellungen wiederfinden wie in der Bevölkerung, so dass man davon ausgehen könne, dass “rechtsextreme Einstellungen auch dort zum Tragen kommen, wo eigentlich Neutralität gefragt ist”. Jeder fünfte Deutsche habe nämlich eine ausländerfeindliche Überzeugungen, so die Studie, und jeder achte antisemitische.



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