Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Bande de Filles

bandedefillesMarieme wohnt in “der Pariser Vorstadt”, einer so genannten Banlieu wie Bagnolet oder Bobigny, die man hierzulande gemeinhin nur aus Negativschlagzeilen kennt, wie sie irgendwelche Populisten in Bezug auf Deutschland leider auch über Berlin Neukölln oder Wedding hier und da als realitätsferne Horrormärchen präsentieren dürfen. Einen Vater gibt es in dieser Familie offenkundig nicht (mehr), die Mutter arbeitet sprichwörtlich Tag und Nacht, hält sich primär mit Putzjobs über Wasser, der Sohn – der Älteste der drei Geschwister – hat somit quasi das “Kommando” und Mirieme selbst passt primär auf ihre jüngere Schwester auf. Wegen schlechter Noten ist ihr der Weg zur weiterführenden Schule verbaut, das mag sie aber ihrer Mutter nicht erzählen. Sie ist verliebt in einen Jungen aus der Nachbarschaft, kann aber nicht offen damit umgehen, weil sich das nicht “ziemt”.

In dieser Situation gerät Marieme in den Blickwinkel dreier weitaus erwachsener wirkender Mädchen, einer Gang, die auf der Suche nach einem neuen vierten Mitglied ist, nachdem eine von ihnen wegen Schwangerschaft und damit einhergehend neuer Verantwortlichkeiten dem eingeschworenen Verbund verlassen musste. Die Protagonistin des Films, die fortan Vic (wie Victory) genannt wird, ist sofort fasziniert von den Dreien, besonders von der Coolness der tonangebenden “Lady”. Und so hängt sie fortan in fast jeder freien Minute mit den Mädels rum, streift durch Einkaufscentren, legt sich mit anderen Mädchenbanden an, gewinnt Stück für Stück an Selbstwertgefühl und Unabhängigkeit.

„Bande de Filles“ von Céline Sciamma (ihr „Tomboy“ war 2011 Eröffnungsfilm in der Berlinalesektion Panorama) ist ausschließlich mit Teenagern ohne Kameraerfahrung besetzt und überzeugt durch deren Lebhaftigkeit und Authentizität. Mit kleinen Ausnahmen (als die Musik zweimal – gleich am Anfang und dann mittendrin, verbunden mit Tanzdarbietungen – minutenlang die Oberhand gewinnt und die Handlung erstarrt, wirkt das in der Breite deplatziert) ist es eine wunderbar runde Coming-of-Age-Geschichte. Und auch wenn es “nur” ein Spielfilm ist: der Streifen “zeigt”, dass Arbeitslosigkeit und Armut nicht per se zu Verwahrlosung und Gewalt führen, diese Themen kommen auch hier vor, vor allem aber werden die Alltagsprobleme der Minderheiten in Frankreich in den Arbeitervierteln einfühlsam und nachvollziehbar erzählt, Einblicke in eine im Guten wie im Schlechten extrem menschliche Subkultur.



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