Ein betont frecher Animationsfilm aus der Türkei hält nichts von süßen Kätzchen; ein junger amerikanischer Regisseur macht sich zum Hauptdarsteller seiner dokumentarisch angehauchten Streifzüge durch das Regenbogen-Berlin; und Heiner Lauterbach produziert ein Road-Movie mit wenig Sprit im Tank, in dem er auch selber mitwirkt, über drei Typen, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten und trotzdem ein was gemeinsam haben: Probleme mit dem anderen Geschlecht. Sie glauben allen Ernstes Garfield war frech, oder zumindest Alf mitunter ganz schön unverschämt und selbstverliebt? Dann schnallen Sie sich besser an, wenn Sie “Bad Cat” (Kötü Kedi Serafettin), einen abendfüllenden 3D-Animation-Film von Ayse Ünal heimsuchen! Wäre es eine US-Produktion, die Gazetten hierzulande würden sich überschlagen mit Rezensionen. Selbst die “Kollegen”, die die Begegnungen mit Kater Shero, der seinen Alltag am liebsten mit Saufen, Fressen und scharfen Mietzen verbringt und sich nebenbei konsequenzter als alle Kater vor ihm mit Hunden anlegt, aufgrund von “political correctness”-Denke schlimmstenfalls eine Spur zu deftig beschreiben würden, müssten zumindest die ausgefeilte Animationstechnik in höchsten Tönen loben. Beginnend bei den atemberaubenden “Kamerafahrten” durch Istanbuler Gassen. Bis hin zu den durchweg, übrigens keineswegs “nur” in puncto Design, ausgefeilten, rundum stimmigen Charakteren. Doch die Geschichte, in der auch manch menschliches Wesen sowie zwei Kumpels von Shero (eine Möwe und eine Ratte – zusammen auf Diebstähle spezialisiert, vor allem Alkohol für spätere Gelage) ziemlich aberwitzig ausgestaltete Rollen spielen, stammt aus der Türkei. Und so gibt es hierzulande perverserweise leider wenig bis kaum Aufmerksamkeit in den Mainstreammedien. Dabei hätte es diese Produktion mit ihren köstlich überzeichneten Klischees von rauen Typen, die im Herzen aber gut sind, wahrlich verdient!
Kinder haben in “Bad Cat”, der einerseits eine gute Alternative zu bekannten zuckergussartigen Trickfilmen darstellt, aber glücklicherweise auch nicht allzu sehr in Plattitüden a la “Ted” badet, wirklich nichts zu suchen – der Streifen von “Anima Istanbul” (co-produziert übrigens von Mehmet Kurtuluş) ist hierzulande auch erst ab 12 Jahren frei gegeben. Kater Sheros Lieblingsbeschäftigungen hatten wir ja bereits erwähnt – dass aber Ficken, Fressen und Raufen nicht einen ganzen Spielfilm über tragen, wir also 8auch) aus anderen Gründen loben, haben Sie sich wahrscheinlich ohnedies bereits gedacht. Insofern sei nur mehr erwähnt, dass in “Bad Cat” tatsächlich alsbald einige Dinge aus dem Ruder laufen: Sheros Herrchen schmeißt ihn aus der Wohnung, nachdem ihm seinetwegen gekündigt wurde; ein anderer Zweibeiner, der einen Ticken zu sehr an seiner “Pussy” hing, wird zur zusätzlichen Plage für den “bösen” Kater und zu allem Übel ist letztgenannter nun auch mal richtig verknallt. Und wie aus dem Nichts taucht da am Horizonz auch noch eine Art Miniaturausgabe von der allzu coolen Hauptfigur auf… Ebenfalls neu im Kino: Desire will set you free
Was die Bildkompositionen, die realen Kamerafahrten, die Farben, und Blickwinkel angeht, ist auch “Desire will set you free” eine Entdeckung. Der Film stammt vom amerikanischen Regisseur Yony Leyser, der hier einen jungen Amerikaner palästinensisch-israelischer Herkunft, Ezra, mimt, der mit Freunden, allen voran mit der penetrant “philosophierenden” Catharine, durch das schwul-lesbische Nachtleben Berlins zieht, Drogen nimmt, mehr oder minder halbherzig an einem Buchprojekt arbeitet und wohl mehr die wahre Liebe denn “nur” das reine Abenteuer sucht. Und so trifft er auf Sasha, einen jungen Russen, mit dem er zwar auch gleich die Nacht verbringt, aber auch letztlich wirklich anfreundet, obgleich dieser gerade auf der Suche zu sich selbst ist. Was in dem Fall auch die Frage beinhaltet, ob Sascha von Haus aus im richtigen Körper steckt oder nicht eher ein Transgender sei.
So absolut beeindruckend eben der gesamte Look des Films de facto ist, so spannend theoretisch Einblicke in das Regenbogen-Berlin inklusive Drag-Queen-Szene sein könnten: als Spielfilm ist “Desire will set you free” unterm Strich leider leider leider nur heillos gekünstelt, anstrengend und letztlich gar nervtötend. Gastauftritte von (unter anderem!) Nina Hagen, Rosa von Praunheim oder Blixa Bargeld reisen rund um die möchte-gern-tiefgründigen Plaudereien der Paradiesvögel nichts heraus, im Gegenteil: sie geben einem gut gemeinten Projekt vielmehr den Gnadenstoß. Den ganzen Film auf einen Dreiviertelstunden-Clip herunterschneiden; bis auf sieben, acht Minuten Sprechsequenzen passende Musik drauflegen; die besagten Promis rauskicken – dann könnte das Ganze wirklich funktionieren. Aber die Kinoleinwand ist leider kein Wunschkonzert.“Frauen” – ein deutsches Road-Movie
Und auch im dritten Kinofilm, den wir hier diese Woche unter die Lupe nehmen wollen, geht es zuvörderst um Geschlechterfragen. Hier aber wieder mehr um das im Kino der letzten Jahre ja generell gern verwendete “Frauen sind von der Venus, Männer vom Mars”-Grundgerüst. Konkret sind nach einer kleinen Verwechslung Schicksale von drei Männern scheinbar auf Gedeih und Verderb miteinander verknüpft, als ihnen das Benzin ausgeht: K.O. Schott (Heiner Lauterbach), ein millionenschwerer Industrieller auf einem wichtigen Termin nach Bad Honnersheim; “sein” Chauffeur, Rüdiger Kneppke (Martin Brambach) und Lis Tucha (Blerim Destani), ein gebürtiger Mazedonier, der vor der Trauung kalte Füße kriegt und nun auf der Flucht vor der heißblütigen Verwandtschaft seiner Verlobten ist und in seiner Not und Einfältigkeit Kneppkes Limousine samt beider Insassen kidnappt. So beginnt eine Irrfahrt durch eine nach und nach vor allem aufgrund der Ureinwohner^^ immer dubioser wirkenden Gegend, geprägt von Gesprächen über Frauen im Speziellen und im Allgemeinen.
Wenn Heiner Lauterbach nicht nur als Schauspieler sondern auch Produzent in einem Film auftritt, der vom Namen her an seinen Durchbruch “Männer” erinnert, liegen Vergleiche natürlich auch Jahrzehnte später nahe. Aber wer eben im Jahr 2016 die brandneue Leinwandarbeit “Frauen” gesehen haben wird, läuft Gefahr, den alten Doris Dörrie Film zu verklären. Was damals gut weil launig empfunden wurde, wäre bei heutigen Maßstäben an deutsches Kino vielleicht ja auch nur mehr Durchschnitt. Das gilt leider auch für Niki Müllerschöns Film “Frauen”: ein unterm Strich “nur” netter, weil summa summarum zu harmloser, aber eben auch keineswegs zahnloser oder gar langweiliger Zeitvertreib für Zwischendurch. Kritiken indes, die dem Streifen vorwerfen, dass etwa die Figur des Chauffeurs zu zotige Witze reißt, haben das Konzept anscheinend nicht verstanden! Der Film spielt ja gerade mit den “Sichtweisen” dreier extrem unterschiedlicher Männer auf das andere Geschlecht. Und Rüdiger Kneppke eben würde am liebsten gleich drei Stewardessen auf einmal hinterherlaufen, während die beiden anderen allein beim Gedanken an dieses Klischee mit den Augen rollen. Millionär Schott seinerseits ist zudem verbittert von seiner ersten wahren Liebe und wechselt dem Vernehmen nach nun schon seit Jahrzehnten Ehefrauen wie Taschentücher. Und Tucha – der Mann, der vor seiner Hochzeit stiften ging – ist sich eben nicht sicher, ob bei der von Verwandten “arrangierten” Beziehung seinerseits inzwischen wenigstens ein Fünkchen Liebe im Spiel ist.
Kurzum: Bei “Frauen” gibt es bei allem vordergründigen Klamauk denn tatsächlich gar mehr plausible Metaebene, als bei irgendeinem neo-liten Böhmermädchen des Zweiten Deutschen Fernsehens.
May 7, 2016
Von scharfen Miezen, Paradiesvögeln und einer vorehelichen Krise
Filed Under: Film
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