Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Vom Leben und Sterben

Im Film mit bayrischem Kolorit „Wer gräbt den Bestatter ein?“ will eine kleine Gemeinde das Ableben des eigenen Totengräbers verheimlichen, um die Vermarktung eines erhofften, aber noch nicht eingetretenen Tods einer anderen Bewohnerin nicht zu gefährden. In „Der Russe ist einer, der Birken liebt“ irrt derweil eine junge Frau nach einem gänzlich überraschenden Todesfall zwischen den Welten um das Leben neu zu entdecken.

Genau an der Ortsgrenze zwischen zwei Gemeinden wohnt eine fast 114 jährige Dame, in ihrer Jugend sei sie ein gefeierter Stummfilmstar gewesen. Nun steht ihr Geburtstag an und beide Gemeinden wetteifern nicht etwa miteinander, wer ihr zu Ehren eine große Party schmeißen darf, sondern hinter den Kulissen vielmehr darum, wer sie – lieber früher als spät – beerdigen darf, weil man sich so Touristenströme, quasi Pilgerfahrten zum Grab der dereinst Ältesten des ganzen Landes und somit Einnahmen erhofft.

Das lokale Fernsehteam bereitet ebenfalls lieber bereits Reportagen über tendenziell bald mal anstehende Begräbnisfeierlichkeiten mittels Zeitzeugengesprächen statt an den Geburtstag der Alten zu denken. Und in dieser angespannten Lage holt sich der Sensenmann in einer Gemeinde ausgerechnet den Bestatter zu sich. Einfach so, aus heiterem Himmel quasi. Der Bürgermeister beschließt den Todesfall zu verheimlichen bis ein neuer Totengräber seinen Platz einnimmt. Der Wettbewerb mit der Nachbargemeinde darf schließlich nicht verloren werden, eine ganze Schar an Touristen steht auf dem Spiel. So befiehlt er des Bestatters Schafkopf-Kumpels, dem Gärtner, der Müllfahrerin und dem Klempner, das Problem mit der aufwendigen Geheimniskrämerei zu lösen. Diese sind fortan in einer Zwickmühle…

Tanja und Andreas Schmidbauer haben bei dem Film „Wer gräbt den Bestatter ein?“ Regie geführt. Mit starkem bayrischen Kolorit gefärbt, erzählt die Komödie das Dilemma der Freunde und die Absurdität über die Vermarktung des Todes einer Frau, die zwar steinalt aber noch am Leben ist. Der Film ist eine ebenso nette wie leichte Kost. Definitiv kein Reinfall, aber auch Nichts worüber man in einem Jahr noch als bleibendes Kinoerlebnis sprechen dürfte. Unverbrauchte Gesichter, solide Erzählung, unaufgeregte Bilder – im Grunde alles richtig gemacht für eine kleine Produktion.

„Der Russe ist einer, der Birken liebt“ hingegen gibt dem Zuschauer leider mehr als einen Grund sich zu ärgern. Er ist nach dem gleichnamigen Buch von Olga Grjasnowa unter der Regie von Pola Beck (“Am Himmel der Tag”) entstanden. Mit Literaturverfilmungen ist es ohnedies immer so eine Sache: man wird selten dem Ruhm des Originals gerecht. Hier aber leider ganz Besonders!

Es geht um eine junge Frau namens Masche (Aylin Tezel), einer angehenden Dolmetscherin, wo bedeutungsschwanger zwar deren aserbaidschanisch-russisch-jüdische Wurzeln gestreift werden, sowie der Konflikt in Berg-Karabach erwähnt, der ihre Familie geprägt haben soll, aber es findet allesamt nicht den Hauch irgendeiner Einordnung. Schnitt/Bildmontage und Kameraführung fesseln immerhin kurzzeitig, insbesondere in der Anfangssequenz, wo Masches diverse Bettpartner(innen) fast so stimmig ineinander greifen wie dereinst Dutzende Köpfe in Michael Jacksons Black and White Clip, nur dass hier noch inmitten der Interaktion jeweils zweier Menschen fließend nacheinander eine Person ausgetauscht wird.

Der Film ist ansonsten reduziert auf die Geschichte einer Getriebenen. Ein großer Knackpunkt neben viel zu vielen vagen Begegnungen und Gedankengängen der Protagonistin: der Tod ihres Freundes in Frankfurt nach einer scheinbar relativ harmlosen Sportverletzung wirkt schlichtweg unplausibel in der Erzählfolge. Zumal Masche schon vor dem Unfall so eine intuitive Ahnung hatte, ihrem Partner offenbar zum ersten Mal in der Beziehung riet eine frische Unterhose mit einzupacken, weil ihre Oma ihr immer gesagt hätte, was wohl wäre, wenn sie unerwartet ins Krankenhaus käme…

Irgendwann ist sie in der mit vielen zeitlichen Hin- und Herspringereien arbeitenden Geschichte in Israel und trifft auf eine ehemalige Soldatin, die zumindest mit ihr nicht über ihre Armee-Vergangenheit reden will, deren Bekanntenkreis aber vermeintlich nur aus Weggefährten aus der Militärzeit zu bestehen scheint. Da fällt dann auch mal das verharmlosende Wort Nahostkonflikt, der in Wahrheit auf Landraub und Unterdrückung von Palästinensern durch jetzt bald wohl wieder Netanjahu-Politik fußt – Masches neue Clique aber hält sich erwartbar generell für nicht kritisierbar – es wird im Stile von „Wir sind die Guten“ schwadroniert.

Die Idee in einer Geschichte zu erzählen, dass jemand glaubt – ob aus innerem oder äußerem Antrieb – “einen radikalen Schnitt in seinem Leben” machen zu müssen ist ohnedies nicht neu, hätte aber spannend werden können. Kameraarbeit und die grundsätzlichen Qualitäten der Hauptdarstellerin passen größtenteils. Aber die Leinwandarbeit als Ganzes ist schlichtweg extrem prätentiös geraten, schafft nicht ansatzweise irgendetwas Bleibendes beim Zuschauer einzupflanzen. So wie Masche an ihrem Leben vorbeilief, so laufen die rund 105 Filmminuten. Wobei, noch irgendwie zäher, kaugummigleich.

 

 



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