Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Handverlesene Kulturtipps für Januar 2015

Vorweg: Die Gastspiele der Fantastischen Vier (Olympiahalle) und Meret Becker (Lustspielhaus) die wir seit Monaten in unseren brandroten Vorverkaufstipps in unserer rechten Randspalte auf jeder Artikelseite featurten sind leider inzwischen ausverkauft bzw. verschoben…

sieber14.01. – Christoph Sieber im Lustspielhaus

Wenn Sie in bisher noch nicht – oder nur als Comedian und oder Jongleur – kennen, haben Sie wirklich etwas versäumt. Er ist einer der scharfzüngigsten unter den “jungen” Wortakrobaten, hat u.a. bitterböse Wahrheiten über das Gedankengut hinter den Hartz-4-Gesetzen auf der Pfanne. Aber er berichtet auch von Menschen, die trotz Untergangs-stimmung dem Leben ihre eigenen bunten Farben ins Gesicht pinseln. Sein aktuelles Programm, dass er in München im übrigen auch noch mal am 13. April präsentieren wird, heißt “Alles ist nie genug” – der studierte Pantomime verspricht darin eine perfekte Mischung aus Kritik und Unfug, aus Ernst und Klamauk.


banner01201517.01. Rainer von Vielen – Ampere (Muffatgelände)

Das Highlight der kommenden “jalla” Worldmusic Partys ist eindeutig “Rainer von Vielen”, deren Musik sich durch Energie und Glaubwürdigkeit auszeichnet. Die vier Musiker aus Kempten, die 2005 den österreichischen Protestsongcontest gewannen sind etwa auch bei G8-Protesten oder auf Attac-CD-Samplern vertreten. Gleichwohl sieht Rainer Hartmann seine Combo nicht als Protest- oder politische Band. „Von Attack kenne ich ‚Global denken, lokal handeln’. Wir als Band können Menschen zusammenbringen, die Gleiches empfinden, und unsere Meinung mit ihnen teilen“, sagt der Mann, der eigentlich Drehbuch studiert hat. Und über den Begriff „Heimat“: „Das ist der Platz, wo die Leute sind, die wir gern haben. Heimat hat sehr viel mit Liebe zu tun, aber wir verstehen uns schon sehr als Weltbürger und nicht als Patrioten.“ Entsprechend beziehe sich Heimat beim Musikprojekt Rainer von Vielen sehr stark auf die Musik, auf die Instrumentalisierung, die die Künstler für die letzte doppelbödig betitelte Platte „Milch und Honig“ verwendet haben: „Das sind die Klänge, die man aus unserer Gegend kennt: Akkordeon, was ich als Kind gelernt habe, Hackbretter, Bläser, Maultrommel …“ Rainers wirklich ganz eigener, von elektronischen Beats und Melodien dominierter Stil, ergänzt mit fulminantem Oberton-Gesang, ist mit das Originärste, was die letzten Jahre an deutschsprachigen Produktionen das Licht der Tonträgerwelt erblickte. In der Singleauskopplung „Kein Zurück“ werden die Versuche diverser Musikkritiker aufgezählt, die Kunst der Allgäuer in irgendeine Schublade zu stecken.

Die Band selbst nennt es übrigens Bastardpop. Der Begriff stammt ursprünglich aus der DJSzene, wo unterschiedlichste Stile, die vermeintlich überhaupt nicht zueinander passen, miteinander kombiniert werden. „Gleiches machen wir auch mit unserer Musik. Wir kombinieren viele verschiedene Stilrichtungen, nehmen das heraus, was uns gefällt, und versuchen die Dinge zusammenzubringen, die so noch nicht zusammen gehört wurden.“ Seine Handynummer, wie auf der Hülle eines der Vorgängeralben, gibt der Kopf der Band heutzutage nicht mehr öffentlich preis. „Die Idee damals war, dass wie eben einer von vielen auch Rainer von Vielen für viele erreichbar sein sollte. Und es gab tatsächlich einige verdutzte Anrufer, die nicht damit gerechnet hatten, mich am Apparat zu haben. Manchmal entwickelten sich auch richtig schöne Gespräche.“

coconami21.01. Coconami – Fraunhofer

Das Plattenlabel Trikont steht nicht nur wegen seiner innigen Zusammenarbeit mit Hans Söllner (dessen Tollwood-Auftritt 2014 übrigens aktuell unser Jahreshighlightvoting anführt) bei zahllosen Liebhabern originärer, handgemachter, authentischer Musik ganz vorn – auch wegen seiner immer wieder überraschenden Compilations. Und obwohl auch wir die Programme dieses Verlags entsprechend verfolgen ist das Duo Coconami bisher vorbeigegangen. Die beiden Japaner, die – das Label erwähnt es mit einem Zwinkern explizit – im übrigen privat kein Paar sind, haben nämlich bereits ihr drittes Album vorgelegt. Und wer in selbiges hineinlauscht und wie wir davor nichts von Miyaji und Nami und ihren zwei Ukulelen, ihrer Blockflöte und ihrem vielstimmigen Gesang kannte wird Bauklätze staunen, wie launige und doch federleicht erscheinende Interpretationen von beispielsweise “Ghost Riders in the Sky” und “Azzurro” nebeneinander mit dem alten Spider-Murphy-Stück “Sommer in der Stadt” oder gar dem Lenz mit Veronika bestehen können und dazu noch mit Songs mit japanischen Texten harmonieren, die hier natürlich nicht fehlen dürfen.

Die zwei Musiker haben übrigens auch noch Mitstreiter – etwa das bayerische Original Ferdl Schuster – ein Kult-Shshi-Wirt aus Haidhausen. Auf der aktuellen Scheibe mischt auch noch ein gewisser Ken mit, der einer augenscheinlich nicht nur dicken sondern auch unhöflichen, vielleicht gar latent rassistischen Bäckereiverkäuferin charmant aber nachdrücklich die Leviten liest.



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