Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Auf Pipi-Kacka-Odysee durch die halbe Welt

Rubén Abruña (seine deutsche Stimme leiht ihm Christoph Maria Herbst) verfolgt in „Holy Shit“ (im Kino ab 30.11.2023) den Weg der Nahrung, nachdem sie in verdauter Form den menschlichen Körper verlässt. Was passiert damit? Können menschliche Exkremente gar eine wieder verwendbare Ressource sein? Seine Spurensuche führt den Dokumentarfilmer in unterschiedlichste Städte auf vier Kontinenten.  

Der Besuch der Trockentoilette seines Bruders in Puerto Rico sei quasi die Initialzündung für Regisseur Rubén Abruña gewesen, sich vorzunehmen, sich irgendwann einmal im wortwörtlichsten Sinne nachhaltig mit dem Thema menschliche Fäkalien zu beschäftigen. Und als er Jahre später seinen Film „The Absent House“, über ein Haus, das nicht an das Stromnetz angeschlossen ist und drei Komposttoiletten enthält, fertig hatte, begann er an einem künstlerischen Schlachtplan dem unverdient schlechten Ruf von Trockentoiletten im Vergleich zu WCs mit Wasserspülung entgegenzuwirken. Nun, viele viele Jahre später kommt das Resultat seiner Recherchen ins Kino.

Über das Thema Ausscheidungen nachzudenken, wenn es nicht um die Hinterlassenschaften der eigenen Baybs geht, gilt vielen Menschen im Allgemeinen als zu unappetitlich.  Und so werden Scheiße und Urin vor allem in unseren Breiten mehr oder minder dezent aber mit zig Litern umständlich aufzubereitendem Wasser Tag um Tag weggespült. Der Verbrauch des endlichen Gutes ist entsprechend enorm. Kläranlagen haben schwer mit den giftigen Resten zu kämpfen – erst recht die Umwelt mit dem was diese letztlich nicht wegschaffen oder gar mit Schlammmassen verschlimmbessern. Halbfeste Überreste in Flüssen töten Fische, Böden sind teils mit Schwermetallen vergiftet. Dabei wussten die Menschen, bevor moderne Toilettensysteme aufkamen, dass es nicht nur ressourcen- sondern auch gelschonend sein kann neben den tierischen Exkrementen auch mit eigenen Fäkalien für die Landwirtschaft zu düngen. Es gab einen Nährstoffkreislauf in der Natur, der für alle Beteiligten brauchbar war: „Wachsen – Essen – Ausscheiden – Kompostieren – Wieder wachsen“.

Um das tabuisierte Thema leichtverdaulich für den Zuseher zu verpacken, bedient sich Abruña in „Holy Shit“ äußerst vielen humorvollen Bildern und Anekdoten: unter anderem mit einem Ekeltest am Essenstisch. Mit ganz besonders – zum Filmtitel passend – geformter Schokolade wird klar, dass das alte geflügelte Wort, das Auge isst mit, sehr viel Wahrheit in sich trägt. Dass Abruñas Off-Kommentare in der deutschen Fassung dazu noch von Christoph Maria “Stromberg” Herbst gesprochen werden, dürfte für viele Kinobesucher den Unterhaltungswert nochmals steigern. Kurzum: auch wenn der Film sehr substantiiert über Umweltfragen erzählt: er ist keine einzige Sekunde tröge oder in Summe gar zu belehrend.

Einen Schenkelklopfer sollte man indes aber auch nicht erwarten: der Regisseur meint es ernst mit seiner Botschaft, dass es für Mensch und Umwelt allesamt schlau und an der Zeit wäre, sich nicht nur Gedanken über verschwendete Ressourcen – sowohl Wasser als auch Energie – zu machen, sondern bestehende praktikable Vorbilder an möglichst vielen Orten zu adaptieren: so zeigt der Film unter anderem wie in normal bewohnten Häusern auch in Großstädten, wie zum Beispiel in Genf, Ausscheidungen fast wie von Zauberhand zu wertvollem Dünger verarbeitet werden. Abruña bereiste vier Kontinente, sprach mit einem bankrotten Farmer in den USA, der seinen Boden und damit auch seinen Tierbestand jahrelang mit den staatlich als Dünger protegierten Resten aus Kläranlagen “versorgte” und damit auf nicht abschätzbare Sicht komplett vergiftet hat.

„Holy Shit“ entführt den Kinobesucher auch nach Uganda, wo eine internationale NGO ärmere Menschen anleitet, Fäkalien in „schwarzes Gold“ zu verwandeln. Und in einer Hamburger Wohnanlage wird mit Hilfe einer nicht an die Kanalisation angeschlossenen Kläranlage direkt Strom erzeugt. Erstaunlich, dass sogar solch ein Projekt der deutschen Allgemeinheit kaum bekannt ist, und noch weniger über die Schattenseiten der nach der Arbeit herkömmlicher Kläranlagen oft über bleibenden “Ewigkeitschemikalien”. Was für manche Zuschauer, vor allem Live-Musik-Begeisterte, hingegen nicht unbedingt neu ist: dass gerade auf größeren Festivals schon länger auch in Europa Trockentoiletten zum Einsatz kommen, behandelt der Film aber ebenfalls mit interessanten Nuancen. Und lässt so selbst in Kapiteln wo man glaubt sich bereits halbwegs auszukennen, keine Spur von Redundanz oder gar Langeweile aufkommen.

 

 

 



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