Ihre Trüffelschweine im fränkischen Einheitsbrei

Kulturtipps Sommer 2014 – u.a. mit Rainald Grebe, Hans Söllner und Shantels Bucovina Club

ennio_morricone24.06. OlympiahalleWie schon im Mai sagte dieser Künstler dieser Tage erneut ein München Gastspiel ab – diesmal gar anders als in anderen Städten ohne jedweden Ersatztermin.Ennio Morricone: Er gilt als einer der größten Komponisten der Filmgeschichte und hat Titelmelodien für Kultfilme wie «Spiel mir das Lied vom Tod», «Für eine paar Dollar mehr», «Cinema Paradiso» «Zwei glorreiche Halunken», «Die Unbestechlichen» oder «Kill Bill» oder jüngst «Django Unchained» komponiert. Nun kommt der 85-jährige Komponist und Dirigent Ennio Morricone nach München. Persönlich dirigiert der Oscar-Preisträger auf seiner «50 Years of Music»-Tour ein 160-köpfiges Orchester mit Chor und ist im Juni in der Olympiahalle zu erleben. Morricone gibt einen Querschnitt durch seine 50-jährige Karriere. Er ist der einzige Komponist, der für seine großartigen und vielfältigen Beiträge zur Kunst der Filmmusik, einen Oskar für sein Lebenswerk erhielt. Außerdem war er für fünf weitere Oskars nominiert und erhielt während seiner Kariere zwei Grammy Awards, zwei Golden Globes, fünf BAFTAs, sieben David di Donatello Awards, acht Nastro d’Argento Awards sowie den Polar Music Prize. 2009 verlieh ihm der französische Präsident den Verdienstorden Legion d’honneur. Morricones außergewöhnliche Musik trägt Einflüsse aus Klassik, Jazz, Pop, Rock, elektronischer Musik, Avantgarde sowie heimischer italienischer Musik. Er bereicherte die filmische Atmosphäre mit seiner raffinierten Art der Anordnung und Besetzung. Die Kompositionen für Sergio Leones Western-Filme wurden durch diverse Mittel wie Maultrommeln, verstimmte Mundharmonikas, tanzende Piccoloflöten, bombastische Kirchenorgeln, unheimliches Pfeifen, donnernde Trompeten und geisterhaften Gesangschören kreiert. Geschätzt von legendären Künstlern wie Quincy Jones und Regisseur Martin Scorsese, ist Ennio Morricone eine gegenwärtige Ikone unserer Zeit.

tw01ab 01.07. Tollwood-Festival – im Münchner Olympiapark Süd geben sich noch viel mehr Stars der internationalen Musikszene wie Folk- und Rocklegende Bob Dylan (01.07.), die französische Musikerin ZAZ (26.07.), Natalie Cole (09.07.) und Jethro Tull (15.07.) in diesen Wochen ein Stelldichein. Aber auch aus Deutschland selbst sind eine Menge herausragender Künstler am Start. So am 02.07. Michael Mittermeier, der seit mehr als zehn Jahren (damals sorgte sein damaliges Bühnenprogramm Parnoid für einen Paukenschlag) eindrucksvoll beweist, dass sich Comedy und anspruchsvolle Texte zur Zeit nicht ausschließen müssen; Dieter Thomas Kuhn (12.07.), der Mann der das Beste und Aberwitzigste aus deutschen Schlagern herausholt oder Gentleman (24.07.), einer der besten deutscher Reggae-Musiker überhaupt.

Und dann gibt es noch zwei Konzerte die wir Ihnen zuvörderst ans Herz legen möchten:

Hans-Soellner_Tollwood_Muenchen_Foto_www.ogasawara.chHans Söllner: Er beehrt Tollwood, das sich seit dem ersten Festival 1988 als Forum für Ökologie und Umweltbewusstsein versteht, konkret am 05. Juli. Und auch wenn der vom Reggae beseelte Liedermacher weitaus ruhiger geworden ist als in den 1980ern wo er insbesondere Unions-Politiker und Staatsschützer regelmäßig dazu brachte, sich in ihrem Verfolgungswahn lächerlich zu machen: er ist mit seiner wahren Aufrichtigkeit und ambitionierte Streitkultur noch immer einer von jenen Ausnahmekünstlern, die im Vergleich zu den meisten Medien in diesem Land gehörig am Lack Deutschlands kratzen. Die Kollegen der Süddeutschen haben es mal halbwegs solide auf den Punkt gebracht: “Wir haben keinen Besseren als diesen kiffenden, fluchenden, Staat, Kirche und Religion und den gehobenen Geschmack beleidigenden und dann auch noch das Hochdeutsche weiträumig umfahrenden Rastafari…” Söllner, eben deshalb Aushängeschild des ältesten unter den “unabhängigen” Musikverlagen Deutschlands, dem Plattenlabel Trikont bei dem er vor einigen Monaten auch die erneut gegen Engstirnigkeit gerichtete CD “Zustand 2” veröffentlichte, erspielt sich seit mehr als 20 Jahren mit handgemachter Musik, die sich wohl vielleicht am besten mit dem widersprüchlich klingenden Idiom “bayerischer Reggae” umschreiben ließe gegen alle Regeln des Geschäfts eine wachsende und vor allem immens treue Fangemeinde.

Shantel_Tollwood_Muenchen_Foto_Matthias-Hombauer_2Am 10.07. wird es bei Tollwood sicher ganz besonders schweißtreibend! Denn dann sind Shantel & sein Bucovina Club Orkestar in der Musik Area zu Gast. Vergesst Baile-Funk, Reggaeton oder Speed-Metal! Der schweißtreibendste aller Musikstile kommt nämlich nicht aus Brasilien oder Puerto Rico, sondern aus Südosteuropa: Shantel heißt der Mann aus Frankfurt, der den Sound vom Balkan in die Clubs Westeuropas geholt hat, und mal eben nebenbei den BBC World Music Award kassierte, als erster Deutscher übrigens. Dank Shantel, der heute im Rahmen der “the kiez is alright tour” München beehrt, sind die Sounds des Balkan auf hiesigen Tanzflächen angekommen, mit dem Bucovina Club wurde gar eine neue Pop-/Clubkulturwelle ausgelöst, die sich frei von Klischees, ethnologischem Ballast oder musealem Denken an den Klängen Osteuropas erfreut. Ziel ist die Weiterentwicklung und Überführung des Sounds in einen urbanen europäischen Kontext. Hier berühren sich Clubmusic und traditionelle Musik in einer schweißtreibenden durchtanzten Nacht. Dass Shantel überhaupt näher mit dem künstlerischen Schaffen solch großartiger Musiker wie Boban Markovic, den Fanfare Ciocarlias oder Goran Bregovic in Kontakt kam, lag übrigens an einer Art Bildungsreise in eigener Sache. 2000 besuchte er die in der heutigen Ukraine liegende Heimatstadt seiner Großeltern, Czernowitz und damit die Bucovina – ein Gebiet, das teils auch in Rumänien verhaftet ist und in dem verschiedenste Kulturen und Religionen ihre vielfältigen Reize entfalten.

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Foto: Nomo michael hoefner http://www.zwo5.de

16.07. im Prinzregententheater: Seit ihrem sechsten Lebensjahr erhielt Hiromi Klavierunterricht und stand bereits mit 12 Jahren das erste Mal mit einem Orchester auf der Bühne. Mit 14 Jahren spielte sie bereits mit der Tschechischen Philharmonie, mit 17 Jahren traf sie auf Chick Corea und spielte mit ihm erste Klavierstücke ein. Mit außergewöhnlicher Brillianz vollführe die quirlige Japanerin einen regelrechten Tanz auf den Tasten, bei dem sie ekstatisch auch schon einmal auf dem Klavierstuhl kniend ein Stück beendet. Die Musikerin gilt Musikexperten zufolge „als eine der weltbesten und erfolgreichsten Künstlerinnen im Bereich der Jazz-Rock-Fusion, die mit ihrer Virtuosität, ihrer haarsträubenden Energie und ihrem Spielspaß einiges an Frische in dieses eigentlich totgespielte Genre bringt. Ihre Musik ist zwar technisch sehr anspruchsvoll, die Grundlage bilden aber meistens leicht zugängliche Melodien oder elektrische Grooves.“

grebe23. Juli Rainald Grebe & Das Orchester der Versöhnung in der Alten Kongresshalle – Rainald & seine Jungs spielen auf zum Social Dance und bringen dabei das komplexe Leben im Standort BRD auf den diffusen Punkt. Das brandneue Livealbum erscheint als Doppel-CD im dreiteiligen Digipack-Format. Ganz gleich ob im solistischen Alleingang am Flügel, im Trio-Verbund oder begleitet von (s)einer Bigband, stets begeistert, verblüfft und berührt der gebürtige Kölner Liedermacher, Kabarettist, Autor, Schauspieler und Theater-Regisseur das Publikum mit seinem unnachahmlich hintergründigen, sprachlich subversiven Humor sowie der ihm eigenen (tragi-)komisch-melancholischen Weltsicht. Hatte das vielbeschäftigte (Wahl-) Berliner Multitalent für sein letztes Album ‘Das Rainald Grebe Konzert’ noch ausgiebig in alten Familienalben geblättert und dabei im Rahmen seiner Ahnenforschung ebenso ungewohnt persönliches wie erstaunlich skurriles zutage gefördert, so widmet er sich diesmal den Verhältnissen in der ‘Berliner Republik’. Aufgezeichnet im Dezember des letzten Jahres im dortigen Admiralspalast und gemeinsam mit seinem formidablen (neu bläserverstärkten) “Orchester” offeriert der vielfach prämierte Anarcho-Comedian eine spitz-bissig formulierte Großoffensive gegen Politik, Finanzkapital, Kulturschickeria und die bürgerliche Boheme. Perfekt beherrscht er dabei die dramaturgische Klaviatur der Inszenierung und beweist voller performerischer Nonchalance und Souveränität sein untrügliches Gespür für gnadenlos treffsichere Pointen und dadaistischen Hintersinn. So liefert Grebe, dem kein Phänomen des modernen Alltags fremd zu sein scheint, eine skurril anmutende, statistische Bestandsaufnahme der Nation (‘Berliner Republik’) lästert über die Generation Merkel und deren Rückzug ins gemütlich private (‘Kokon’), den Verlust bislang angestammter Männerdomänen (‘Ende Des Weissen Mannes’) sowie öffentlich inszeniertes Protestgehabe (‘Kapitulation’). Das Ergebnis ist ein widerborstiger Jahresrückblick der besonderen Art, bei dem sich das vermeintlich Absurde zu einem scharfsinnigen Portrait der deutschen Befindlichkeit verdichtet und der Künstler, der zu den ‘gefragtesten Entertainern der Republik’ (TAZ) zählt, das komplexe Leben im Standort BRD auf den diffusen Punkt bringt.



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